Interviews und Befragungen

IDEE UND ZIEL

Die Befragung ist eine klassische Methode der empirischen Sozialforschung, sowohl in der „quantitativen“ als auch in der „qualitativen“ Forschung, und kann vielfältig eingesetzt werden. Die Methode dient in frühen Phasen der Produktentwicklung zur Exploration der Anforderungsbedarfe und des Nutzungskontextes. Die Befragung wird dann häufig in der Form eines Interviews durchgeführt. In späteren Phasen wird sie meist in stärker standardisierter Form genutzt, um Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Produkte bzw. der Benutzerschnittstelle zu testen. Dazu werden die Akteure/Nutzer mithilfe eines vorher definierten Leitfadens befragt. Die Befragung wird aufgezeichnet und im Nachhinein analysiert.

Environment Technique Time Knowhow Integration

Umgebungs-unabhängig

aktiv informativ, beratend

KONZEPT UND VORAUSSETZUNGEN

Voraussetzung für eine Befragung ist die Konzeption des Leitfadens und ein geeignetes Medium zur Dokumentation der Interviews. Dies kann je nach qualitativer oder quantitativer Ausrichtung ein Film, Audiomitschnitt oder auch eine schriftliche Protokollierung sein. Auch die Befragung selbst kann neben der mündlichen Befragung medial vorgenommen werden. Beispiel sind die schriftliche Befragung (i. Allg. postalisch; häufig als Gruppenerhebungen), Telefoninterviews (meist als Computer Assisted Telephone Interview) oder Online-Befragungen.

 

Verortung im Living Lab: Befragungen können während des gesamten Entwicklungsprozesses stattfinden. Von besonderem Wert sind qualitative Befragungen zu einem frühen Stadium in der Produktentwicklung für die Erstellung einer Anforderungsanalyse.

Forschungsumgebung: Es ist keine besondere Forschungsumgebung erforderlich. Mündliche Befragungen können an unterschiedlichen Orten stattfinden oder auch als Telefon oder Online-Befragungen durchgeführt werden.

Nutzer-/Stakeholderintegration: Die Identifizierung von Nutzern ist zentral für die Aussagekraft der Ergebnisse. Pro Nutzertyp sollten 6-10 Interviews durchgeführt werden, um ein umfassendes Meinungsbild zu erheben. Die Nutzer werden aktiv eingebunden und haben eine informative und beratende Rolle im Prozess.

Aufwand: Die Dauer der mündlichen Befragung kann variieren. Üblicherweise dauert ein Interview zwischen 30 und 60 Minuten, aber keinesfalls länger als 90 Minuten. Es ist sinnvoll das Interview entweder über Audio oder Video aufzuzeichnen, auch sind Notizen des Interviewers wichtig. Der Aufwand wird bei qualitativen Befragungen auf mittlerem Niveau gesehen, da die Daten nach der Befragung transkribiert werden müssen, bevor eine Analyse durchgeführt wird. Dies ist relativ zeitintensiv.

UMSETZUNG IN DER PRAXIS

Zu Beginn jeder Befragung gilt es einen geeigneten Leitfaden oder Fragebogen zu erstellen, welcher je nach gewünschter Befragungsart aus einer strukturierten oder teil-strukturierten Menge von Fragen sowie offenen oder geschlossenen Antwortmöglichkeiten besteht. Bei der qualitativen Befragung der Akteure ist auf die Formulierung der Fragen und auf die Protokollierung der Aussagen zu achten. So sollten beispielsweise Suggestivfragen vermieden werden. Anschließend werden qualitative Befragungen zur Vorbereitung der Analyse verschriftlicht. Auch die Analyse variiert stark von eher standardisierten, beschreibenden bis hin zu rekonstruierenden Verfahren. Ist der Leitfaden fertig, sollte der Interviewleitfaden in einem Pretest mit 1-2 Personen getestet werden.

 

So wird geklärt, ob die Fragen verständlich sind und ob das Interview den geplanten Zeitrahmen nicht überschreitet. In der Vorbereitungsphase findet außerdem die Rekrutierung der Nutzer statt.

Das Verhalten des Durchführenden bestimmt die Beziehung zwischen Interviewer und Befragtem und hat einen großen Einfluss auf den Erfolg eines Interviews. Er muss einen vertrauenswürdigen und neutralen Eindruck machen, jeden Befragten respektvoll behandeln und diesem nicht widersprechen.

GRENZEN UND HERAUSFORDERUNGEN

Befragungen bieten dem Interviewer die Möglichkeit ein tiefes Verständnis über die subjektive Meinung, Motivation etc. der Akteure zu erlangen. Jedoch kann je nach Fragestellung (bspw. Suggestivfragen) oder Umgebung das Ergebnis verfälscht und die Aussagekraft verringert werden. Nutzer sagen, nicht immer das, was Nutzer auch wollen. Denn sie sind in ihren aktuellen Routinen und Erfahrungskontext gefangen und es kann schwer für sie sein, sich visionäre und zukünftige Kontexte vorzustellen.

 

Darüber hinaus gilt zu beachten, dass eine Diskrepanz zwischen den Aussagen und dem tatsächlichen Handeln der Akteure nicht auszuschließen ist. Dies kommt durch die unterbewusste Tendenz, bestimmte allgemeine positiv besetze Erwartungshaltungen zu erfüllen. Beispielsweise würden die meisten Probanden vermutlich angeben, ein umweltfreundlicher Umgang mit Ressourcen sei ihnen wichtig, auch wenn dies nicht ihren Alltagshandlungen entspricht. Daher ist es von entscheidener Bedeutung, wie die Aussagen des Nutzer ausgewertet und interpretiert werden.

VORTEILE DER NUTZUNG IM LIVING LAB

Im Rahmen von Living Labs ermöglichen insbesondere Interviews eine gute Gelegenheit den realweltlichen Kontext der Nutzer besser zu verstehen und einen Einblick in persönliche Lebenswelten zu erhalten. Dies kann auch für spätere Studien hilfreich sein.

 

Nutzer-Interviews zu Beginn eines Produktentwicklungsprozesses bieten für Hersteller/Produktentwickler die Möglichkeit die Nutzungsakzeptanz von Produkten oder Dienstleistungen besser einschätzen und bewerten zu können. Die Methode ist flexibel einsetzbar und führt zu einem schnellen und direkten qualitativen Feedback.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

  • Martin, B.; Hanington, B. (2012): Universal Methods of Design: 100 Ways to Research Complex Problems, Develop Innovative Ideas, and Design Effective Solutions.
    Rockport Publishers, Beverly.
  • Flick, U. (1995): Qualitative Forschung. Theorie, Methoden, Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.
  • Witzel, A. (1982): Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Campus, Frankfurt am Main
  • Nohl, A.-M. (2008): Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis (2. Auflage). VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
  • Dark Horse Innovation (2016): Digital Innovation Playbook. Das unverzichtbare Arbeitsbuch für Gründer, Macher und Manager. Murmann Publishers GmbH; 2. Auflage.
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